Das Schloss Neuschwanstein besuchen

Zwischen Glanz und Größenwahn

Auf einem Bergrücken, hoch über der Pöllatschlucht und vom Ammergebirge umgegeben, thront ein Bauwerk, das zu den Top-Sehenswürdigkeiten in Bayern zählt. Es diente als Vorlage für das Disney-Logo und den Zeichentrickfilm "Cinderella" und zählt mit über 1.4 Millionen Besuchern jährlich zu den meistbesuchten Schlössern in Europa: Neuschwanstein. Es ist ein wahrer Besuchermagnet der Region. Auch meine Familie und ich möchten das Bauwerk heute aus der Nähe und von innen besichtigen, nachdem ich beim Tandem-Paragliding das Schloss Neuschwanstein bereits aus der Luft betrachten konnte.

Beim Tandem-Paragliding fliegen wir nah am Schloss Neuschwanstein

Der Mythos Schloss Neuschwanstein

Der menschenscheue König Ludwig II. ließ ab 1869 das Schloss Neuschwanstein für sich als Rückzugsort bauen, das damals noch "Neue Burg" genannt wurde. In seiner Welt war es nicht vorgesehen, das Schloss für Fremde zu öffnen. Doch König Ludwig II. starb im Juni 1886 und nur sieben Wochen später, am 01. August 1886 kamen die ersten Besucher, um das sogenannte "Märchenschloss" zu besichtigen. Seitdem haben mehr als 130 Millionen Besucher diese Sehenswürdigkeit besucht.

Ab 1869 wurde das Schloss Neuschwanstein mit mittelalterlichen Formen erbaut.

Ohne Lebens- und Politikerfahrung wurde Ludwig II. mit nur 18 Jahren im Jahr 1864 König. Zwei Jahre später besiegten die Preußen das damals eigenständige Königreich Bayern und er war nicht länger Souverän. Auch als konstitutioneller Monarch und hoch verschuldet, ließ Ludwig II. an seiner "Neuen Burg" weiterbauen. Die Banken drohten 1885 mit Pfändung. Der einstige König wurde daraufhin 1886 entmündigt, durch die Regierung abgesetzt und im Schloss Berg am Starnberger See untergebracht. Dort wurde er am 13.06.1886 im Starnberger See Tod aufgefunden. Die Todesursache bleibt bis heute ein Rätsel.

Wie komme ich zum Schloss Neuschwanstein?

Es gibt drei Möglichkeiten:

  1. zu Fuß: ca. 40 Minuten
  2. mit der Pferdekutsche
  3. mit dem Shuttlebus bis zur Haltestelle Aussichtspunkt "Jugend"/ Marienbrücke und von dort 15 Minuten zu Fuß laufen

Zu Fuß zum Schloss Neuschwanstein

Auch wenn der Himmel heute sehr bedeckt ist und es vereinzelt leichte Schauer gibt, möchten wir zum Schloss Neuschwanstein spazieren. Im Internet wird angegeben, dass ungefähr 40 Minuten für den Weg zu Fuß eingeplant werden sollen. Ob wir heute auf den Pfaden von König Ludwig II. spazieren?

Sicher ist, wir spazieren auf dem Weg, der Neuschwansteinstraße, den es schon zu Ludwigs Zeiten gab. Er kannte den Bauplatz seiner "Neuen Burg" seit seiner Kindheit, weil er vom Schloss Hohenschwangau selbst Wanderungen und Spaziergänge dorthin unternahm. Auf den Resten einer mittelalterlichen Burg ließ er seine "Neue Burg" errichten, die erst nach seinem Tod "Neuschwanstein" genannt wurde.

Wir überqueren die hektische Alpseestraße: Fußgänger versuchen die Straße zu überqueren, Autos versuchen vorwärtszukommen und der Shuttlebus zur Marienbrücke schlängelt sich auch in den Straßenverkehr ein. Am Straßenrand warten Leute auf die Pferdekutsche, die sie zum Schloss Neuschwanstein transportiert. Wir überqueren erfolgreich die Straße und folgen dem Weg, der seitlich von der Alpseestraße weg und an grünen Wiesen vorbeiführt.

Mit vielen anderen Fußgängern spazieren wir auf der leicht ansteigenden und asphaltierten Straße. Wir weichen den Pferdekutschen aus, die Gäste vom und zum Schloss Neuschwanstein transportieren. Der Weg ist gut ausgebaut und wird von einem schönen grünen Mischwald flankiert. Birken, Ulmen, Fichten und Farne säumen den Weg und geben an lichten Stellen einen Ausblick auf die wunderschöne Landschaft frei.

Ankunft am Schloss Neuschwanstein

Bereits nach 20 Minuten, anstatt der angegebenen 40 Minuten, erreichen wir das Schloss Neuschwanstein. Es war ein schöner Spaziergang, auch wenn zeitweise viele Spaziergänger unterwegs waren und wir auf die Pferdekutschen achten mussten. Doch am Ziel angekommen, steigt die Neugier, das Schloss zu erkunden. Hinter den dichten grünen Bäumen ragt ein heller spitzer Turm mit Verzierungen an der Fassade empor. Der Anblick erinnert mich sehr an den Märchenfilm Rapunzel oder Cinderella.

Einer der Spitztürme von Schloss Neuschwanstein

Mit dem Bau des Schlosses wurde erst 1869 begonnen. Der bayerische König Ludwig II. verehrte die Kultur und das Königtum des Mittelalters. So sind Spitz- und Wehrtürme und Rundbogenfenster mit Säulen aus dieser Zeit gebaut worden. Trotzdem wurde das Schloss mit der damals modernsten Technik ausgestattet. Es wurden Kachelöfen und Zentralheizungen eingebaut, fließendes Wasser und eine direkte Telefonleitung zum Postamt gab es auch.

Ob wir die moderne Ausstattung auch gleich sehen werden? Mit unseren Tickets nähern wir uns dem Torbau, der bereits 1873 fertiggestellt war. Dort angekommen wird uns freundlich von einem Mitarbeiter mitgeteilt, dass wir zu früh sind und erst 15 Minuten vor Tour-Beginn in den Schlosshof dürfen.

Dann nutzen wir die Gelegenheit und sehen uns auf dem Vorplatz des Schlosses um. In der Nähe des Eingangs gibt es Souvenirstände, ein Restaurant, einen Imbissstand und Schließfächer, sogar für Kinderwagen. In der Nähe der Schließfächer entdecken wir eine Aussichtsplattform. Von dort blicken wir auf die schöne Eingangsseite des Schlosses Neuschwanstein und warten, bis andere Touristen ihre Fotos gemacht haben. Als eine Lücke entsteht, flitzen wir schnell zum verglasten Geländer, um unsere Erinnerungsfotos zu machen. Im Sommer kommen im Durchschnitt mehr als 6.000 Besucher pro Tag, um das Schloss zu besichtigen. Aber so voll scheint es heute nicht zu sein.

Bevor die Tour beginnt

15 Minuten bevor unsere geführte Tour durch das Schloss Neuschwanstein beginnt, dürfen wir in den Schlosshof. Wir durchschreiten das Eingangstor und befinden uns im Unteren Schlosshof. Der Weg ist mit hellen Steinen gepflastert und an den Seiten der Kalksteinfassade stehen Bänke für die wartenden Besucher. Für einen Donnerstag im Juli scheint es nicht sehr voll zu sein. Vielleicht liegt es auch an der Zeit unserer gebuchten Tour, die um 13:10 Uhr beginnt.

Warten im Eingangsbereich des unteren Schlosshofes, bevor die geführte Tour beginnt

Wir tauchen langsam in die "Neue Burg" von König Ludwig II. ein. Zwei Jahre vor seinem Tod konnte Ludwig seine Wohnräume im Jahr 1884 beziehen. Es waren 200 Räume geplant, doch es wurden nur 21 fertiggestellt. Heute können 14 der 21 Räume besichtigt werden und trotzdem ist die Faszination für das Schloss weiterhin groß.

Bevor unsere Tour beginnt, spazieren mein Neffe (12 Jahre) und ich über den Schlosshof. Vom Unteren Schlosshof gehen wir an der Ticket-Kontrolle für die gebuchten Touren vorbei und die Treppe nach oben in den Oberen Schlosshof. Hier oben befinden sich das Ritterhaus auf der rechten Seite und geradezu das sogenannte Palas mit zwei kleinen Türmen im oberen Teil der mit Fresken verzierten Fassaden. Im Palas befinden sich die Wohnräume, der Thronsaal und der Sängersaal des Königs. Auf der linken Seite befinden sich die Kemenate, mit kleinen beheizten Räumen. Wir sind schon ganz gespannt, wie die Räume gestaltet sind.

Die Führung durch Schloss Neuschwanstein

Wir scannen unsere Tickets an der Ticket-Kontrolle und unser Tour Guide erwartet uns an der Tür des rechten vorderen Turms. Nun werden wir uns die Räume ansehen, in denen König Ludwig II. auf zwei Jahre verteilt 170 Tage verbracht hat. Damit wir den Tour-Guide besser verstehen können, erhalten wir Audio-Guides. Bei einer Gruppengröße von bis zu 45 Personen können so alle Teilnehmenden die Informationen gut verstehen. Und jetzt gehts los: über eine Wendeltreppe steigen wir im Turm nach oben und hören das ein oder andere Schnaufen.

Das Fotografieren ist während der Tour nicht gestattet. Für diesen Beitrag wurden alle Fotos der Innenräume mit freundlicher Genehmigung von der Bayerischen Schlösserverwaltung für eine Veröffentlichung zur Verfügung gestellt. Außenaufnahmen vom Schlosshof und Landschaftsaufnahmen, die ich vom Balkon des Schlosses fotografiert habe, wurden mit freundlicher Genehmigung der Bayerischen Schlösserverwaltung für die Veröffentlichung freigegeben.

Das sind unsere Highlights der Tour

Im dritten Stock beginnt unsere Tour im Thronsaal. Wir stehen auf einem Mosaikboden, der die Erde mit ihren Pflanzen und Tieren zeigt. Von der Mitte der blau-grünen kuppelförmigen Decke, die mit goldenen Sternen verziert ist, hängt ein vier Meter hoher, mit Edelsteinen aus böhmischem Glas verzierter Kronleuchter. Hohe Säulen tragen golden verzierte Rundbögen. Könige und Heilige wurden in Wandgemälden dargestellt. Doch ein Thron ist im Thronsaal nicht zu finden, weil dieser nie in Auftrag gegeben wurde. In diesem Saal sollten keine Staatsakte zelebriert werden und trotzdem hat dieser Raum mit 207 qm eine beachtliche Größe.

Über einen Gang, der an schlicht ausgestatteten Dienerräumen mit zwei Betten, einen Tisch und vier Stühle vorbeiführt, gelangen wir in das Schlafzimmer von König Ludwig II. Durch Buntglasfenster dringt das Licht des tristen und bewölkten Tages. An einer dunklen Holzwand steht das Bett im neogotischen Stil. Die Sitzgelegenheiten und die Leseecke sind mit blauer Seide bezogen und mit Löwen, Schwänen, Kronen und Lilien bestickt. Das geschlossene Bücherregal ist aus dunklem Holz und mit Blumen bemalt und der Kachelofen zeugt von den modernen Annehmlichkeiten des Schlosses. An den Wänden hängen Gemälde mit Schwänen. Der Schwan war nicht nur das Lieblingstier von Ludwig, es war auch das Wappentier der Grafen von Schwangau. Als der Guide erläutert, dass die Türgriffe ebenfalls die Form eines Schwanenhalses haben, laufen alle Kinder zur Tür, um diese Aussage zu überprüfen. Und sie kommen kopfnickend zurück. Sogar der Wasserspender hat die Form eines Schwans.

Nachdem wir bereits zwei sehr imposante Räume besichtigen durften, lässt uns unser nächster Halt staunen. Eine nachempfundene Tropfsteinhöhle mit Stalaktiten hätten wir hier nicht erwartet. Das kühle blaue Licht bringt zusätzliche Atmosphäre in den Raum und mir wird sogar ein wenig kühl. Dieser Raum wurde ab 1880 zu einer künstlichen Grotte ausgebaut und soll an die "Venusgrotte" in der Wagneroper "Tannhäuser" erinnern.

Schloss Neuschwanstein, Grotte (R.9), mit geöffneter Tür (Bild © Bayerische Schlösserverwaltung)

Imposant geht es im vierten Obergeschoss, im Sängersaal, weiter. Durch die großen Rundbogenfenster scheint das Licht und erhellt den Raum. Große Kronleuchter hängen von der Kassettendecke aus Fichtenholz mit viereckigen Holztafeln, die die Symbole der Sternzeichen zeigen. Mein Neffe und ich legen den Kopf in den Nacken und suchen zwischen all den Sternbildern unsere Sternzeichen und finden sie. An den Wänden und der Fensterwand sind bildliche Darstellungen aus der Sage von Parzival zu entdecken. Ludwig II. konnte keine Aufführung miterleben, weil der Saal erst kurz nach seinem Tod fertiggestellt wurde. Dennoch fanden im Sängersaal viele Jahre Konzerte statt. Doch durch Brandschutzvorgaben dürfen nur noch Konzerte im sehr kleinen Rahmen veranstaltet werden und diese sind leider nicht kostendeckend.

Und hier endet nach 30 Minuten auch schon die geführte Tour. 14 der 21 fertiggestellten Räume haben wir nun besichtigt. Um die Worte meines Neffen zu zitieren: "Es war gut, aber die Führung hätte länger sein können." Für uns war die Tour sehr interessant, unterhaltsam und zu kurz.

Unser Besuch ist noch nicht vorbei

Vom Sängersaal laufen wir die Wendeltreppe nach unten. Vorbei an einem hübschen Café mit Holzfußboden, einem Ofen in der Ecke und Wandbildern laufen wir auf einen Balkon zu. Die Aussicht vom Balkon ist wunderschön. Von hier blicken wir auf den Alpsee, die Berge, das Schloss Hohenschwangau und auf die Marienbrücke, die vom Ammergebirge umgeben ist.

Die Marienbrücke ist ebenfalls ein beliebtes Ausflugsziel. Von der Marienbrücke hat man einen tollen Ausblick auf das Schloss Neuschwanstein.

Auf dem Weg nach unten führt uns die Wendeltreppe in die große Küche mit einer weißen Gewölbedecke. Große kupferfarben glänzende Pfannen und Töpfe stehen auf Regalen und in einem separaten Arbeitsbereich lehnen an einer weißen Wand zwei Brotschieber. In einem Wandschrank liegen Kuchenformen für die Süßspeisen, denn König Ludwig II. liebte Süßspeisen. Ganz besonders gern aß er gedeckten Apfelkuchen, aber auch Vanillepudding, Biskuits und Pralinen. Und wer genau hinschaut, wird auch in der Küche die Form eines Schwans entdecken.

Nach einer Stunde verlassen wir das Schloss Neuschwanstein durch einen Souvenirshop und sind wieder auf dem Vorplatz des Schlosses. Nur wenige Meter vom Vorplatz entfernt ist das "Schlossrestaurant Neuschwanstein". Hier werten wir bei Kaffee, Apfelstrudel und Eis unseren Besuch aus.

Schlossrestaurant Neuschwanstein, über deren Fenstern "Zur Neuen Burg" geschrieben steht, mit Bayerischer Küche und eine gute Alternative zum Café im Schloss Neuschwanstein

Gut zu wissen

Fazit

Meine Familie und ich fanden die Führung sehr schön, informativ, interessant und unterhaltsam, aber auch zu kurz. Auf manchen Internetseiten liest man Bewertungen, dass man "wie am Fließband" abgefertigt wird oder dass es im "Galopp durch das Schloss" ging. Vielleicht hatten wir Glück und haben im Juli einen guten Zeitpunkt für eine Führung (13:10 Uhr) erwischt und einen motivierten Guide.

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