Tandem-Paragliding über Schloss Neuschwanstein

DAS ABENTEUER BEGINNT AM TEGELBERG

Mit klopfendem Herz stehe ich an der Abflugkante in 900 Metern über dem Landeplatz. Nur wenige Meter trennen mich von dem sehr kurzen und steilen Startplatz. Hätte ich mir meinen Startplatz aussuchen dürfen, wäre es der lange und breite Startplatz mit dem grünen weichen Kunstrasen geworden. Trotzdem kann ich es kaum erwarten, heute Passagier eines Tandem-Paragliding-Flugs zu sein und über das Schloss Neuschwanstein zu fliegen. Nach dem Start fliegen wir nach einigen Minuten um einen Felsvorsprung herum und mir stockt der Atem.

An der Kante des bereiten und langen Tandem-Paragliding-Startplatzes auf dem Tegelberg

Die Leidenschaft für das Tandem-Paragliding begann im September 2017 mit einem Flug in Kapstadt, Südafrika. In der Region, in der ich lebe, habe ich keine Berge vor der Tür, um diesen Flugsport auszuüben. Dadurch versuche ich ein- bis zweimal pro Jahr Passagier eines Tandem-Paraglider zu sein, falls das Wetter es zulässt. In diesem Urlaub bin ich zu Gast im Ostallgäu in Bayern. Und wo es Berge gibt, gibt es meistens ein Paragliding-Angebot.

Was ist Tandem-Paragliding?

Als Fluggast darf man immer vorne sitzen und die Aussicht genießen. Die Ausrüstung besteht aus einem Gleitschirm, Gurtzeug, eine Art Sitzsack für den Piloten und einen für den Fluggast, einem Rettungsfallschirm und - falls jemanden übel wird - einer Spucktüte. Ein Pilot steuert den Paragliding-Schirm, zu deutsch Gleitschirm, mit einer Geschwindigkeit von ungefähr 40 km/h durch die Lüfte. Ein Flug kann ein sanftes Dahingleiten sein, es können aufregende Kurven geflogen werden oder es werden schwindelerregende Höhen erreicht und man blickt über die Bergkuppen.

Beim Tandem-Paragliding am Tegelberg mit Fly Royal Paragliding

Doch vor dem eigentlichen Flug kommt der Start. "Ein Gleitschirm startet und landet, wie ein Flugzeug, immer gegen den Wind." erklärt Denis Maier, Pilot von Fly Royal. "Da es am Tegelberg keinen 360 Grad Startplatz gibt, brauchen wir für den Start ein bisschen Wind aus der Richtung Nordwest - Nordost. Sobald wir fliegen, spielt es keine Rolle mehr, ob wir Rücken-, Gegen- oder Seitenwind haben, dann können wir uns in alle Richtungen frei bewegen."

Ankunft am Tegelberg

Damit ich mit meinem Piloten in alle Richtungen durch die Luft gleiten kann, fahren meine Familie und ich auf den Parkplatz der Tegelbergbahn. Die Umgebung lässt mein Herz schon jetzt höherschlagen. Das Schloss Neuschwanstein thront auf einem Felsen vor imposanten Bergen aus Kalkstein. Über dieses Schloss werde ich hoffentlich gleich fliegen, falls wir ausreichend Wind haben.

Blick auf das Schloss Neuschwanstein vom Parkplatz "Tegelbergbahn"

Vor dem Flug

Um über das Schloss Neuschwanstein fliegen zu können, muss ich erst meinen Piloten in einer kleinen Holzhütte in der Nähe des Parkplatzes treffen. Das ist heute David, der Gründer von FLY ROYAL Paragliding und Fluglehrer. Ich fülle ein Formular aus und meine Turnschuhe werden überprüft, ob das Profil gut genug ist. Für den Start muss ich einige sichere Laufschritte einen Abhang hinunterlaufen können. Eine gute Trittfestigkeit ist dafür notwendig.

Vor dem Flug: Treffpunkt an der Holzhütte, um alle Formalitäten von dem Flug zu erledigen.

Alle Vorbereitungen sind nun abgeschlossen und David gibt mir einen großen Rucksack, der meinen Sitzsack enthält. Ich setze den Rucksack auf und wir gehen zur Seilbahn. Diese bringt uns mit unserem Equipment auf den Tegelberg. Das Kribbeln im Bauch und mein Herzschlag werden während der Fahrt sehr intensiv. Dicht an dicht gedrängt fahren wir ungefähr 10 Minuten mit 34 weiteren Personen in der Gondel auf den Tegelberg.

Nun laufen mein Pilot David und ich zur Seilbahn, die uns auf den Tegelberg zum Startplatz bringt.

Ausrüstung für den Flug

  1. Turnschuhe, Outdoor- oder Wanderschuhe mit gutem Profil. Wanderschuhe werden bevorzugt. Keine Sneaker.
  2. Windjacke
  3. Sonnenbrille
  4. evtl. Handschuhe
  5. evtl. Sea Bands, falls jemand unter Reiseübelkeit leidet

Die Flug-Vorbereitung

Am Startplatz angekommen wird der blau-weiße-Schirm auf dem Boden ausgebreitet. Ich bekomme das Gurtzeug angelegt und wir gehen die Schrittfolge für den Start durch. Nun warten wir auf den Wind. Der Tegelberg ist eigentlich vom Frühjahr bis in den Herbst ein sehr gutes und zuverlässiges Fluggebiet. Der heutige Tag ist sonnig und 29 Grad warm, der Himmel ist blau und es ist keine einzige Wolke am Himmel zu sehen. Es traumhaftes Sommerwetter. Allerdings ist es momentan windstill.

Am Startplatz des Tegelsbergs wird der Gleitschirm auf dem Boden ausgebreitet und für den Flug vorbereitet

Denis Maier erwähnt: "Zum Gleitschirmfliegen ist es grundsätzlich gut, wenn man wenig Wind hat. Bei 20 km/h Wind kann man schon fliegen, aber wenn es deutlich mehr wird, dann hören wir auf." Auch bei Regen wird nicht geflogen. "Wenn es im Flug ein bisschen nieselt, ist das kein Problem, das verträgt der Schirm. Nur, wenn es richtig regnet, dann hast du mit einem Gleitschirm nichts mehr in der Luft verloren."

Im Winter kann nicht vom Tegelberg gestartet werden, weil der Wind hauptsächlich aus Süden weht und der Startplatz nicht präpariert wird. Man würde knietief im Schnee stehen. Dafür wird am Breitenberg in Pfronten geflogen.

Während wir auf den Wind warten, genieße ich die Aussicht: mit grünen Feldern, blau glänzenden Seen und schroffen Bergen, die sich aus dem flachen Land erheben.

Am Startplatz auf dem Tegelberg: Beim Warten auf den Wind, um starten zu können, die Aussicht genießen.

Hier am Tegelberg hat das Drachen- und Gleitschirmfliegen eine große Tradition. Es begann 1973 mit einem Drachenflug und seitdem wird auch über das Schloss Neuschwanstein geflogen. Nun startet ein einzelner Gleitschirmflieger, auch Paraglider genannt. Vielleicht reicht der Wind nun auch für unseren Start.

Der Start

Der Schirm liegt einsatzbereit zwischen den zwei dicht beieinander liegenden Startplätzen, einem langen breiten und einem sehr kurzen und steilen Startplatz. Laut Denis Maier hat der steile Startplatz einen Vorteil: "Die Steilheit ist insofern ganz gut, dass wir dadurch sehr schnell abheben."

Der kurze Startplatz befindet sich nur wenige Meter rechts von diesem schönen Aussichtspunkt.

Die Höhe und die Startplätze können schon ein wenig angsteinflößend sein. Aber Denis Maier kann die Teilnehmer an einer Hand abzählen, die einen Flug abgebrochen haben. Als Mutmacher hat er seine Fluggäste schon oft davon überzeugt, sich auf dieses Abenteuer einzulassen. Und wer sich erst einmal in die Lüfte wagt, kann sich oft ein Jubeln, Weinen oder einen Schrei nicht verkneifen, ob aus Freude oder Angst oder beides. Im Flug fällt die Anspannung dann ab "und dann ist eigentlich nur noch genießen angesagt und die Überwältigung oft riesig" ergänzt Denis. Nach der Landung wurde dem Piloten auch schon gesagt: „Das war das Geilste, was ich meinem Leben gemacht hab.“

Ich möchte mich auch gern auf dieses Abenteuer einlassen. Glücklicherweise bemerke ich nun eine Brise und alles geht ganz schnell. Wir positionieren uns vor dem sehr kurzen und steilen Startplatz. Auch wenn alles ganz schnell geht, bleibt anscheinend doch noch genug Zeit für ein wenig Aufregung mit Bauchkribbeln und starkem Herzklopfen. Mein Sitzsack wird eingeklinkt und der Schirm wird raschelnd aufgestellt. Wir laufen drei Schritte, stoppen kurz, laufen noch einmal ein, zwei Schritte und schon habe ich den Kontakt zum Boden verloren.

Foto mit meinem Piloten David am breiten und langen Startplatz

Der Flug

Der warme Wind weht mir ins Gesicht und ich ziehe die Ärmel meiner Windjacke hoch. Es ist doch wärmer als gedacht. Wir steigen höher, indem wir ein paar Kreise durch die Luft ziehen und fliegen auf ungefähr 900 Meter über dem Boden. Unter uns sind grüne Felder und blau glänzende Seen. Zwischen den Bergen sehe ich Almhütten, die wie Spielzeughäuser aussehen. Die Kalksteinfelsen des Tegelbergs scheinen zum Greifen nah und sind mit Nadelbäumen bewaldet. In einer Schlucht auf einer Hochalm entdecke ich zwei Kühe grasen und ganz in der Nähe der Hochalm stürzt aus einer Felskante ein schmaler Wasserfall in die Tiefe.

Kurz nach dem Start vom Tegelberg gleiten mein Pilot David und ich auf ca. 900 m durch die Luft

Während des Flugs bleiben wir unterhalb der Gipfel. Nun steigt meine Neugier, wie es wäre auf 3.000 Meter Höhe zu fliegen und über die Gipfel schauen zu können. Im April und Mai soll man teilweise auf 3.000 Meter Höhe fliegen können und oft mit schneebedeckten Bergen. Laut Denis Maier ist es während des Flugs "richtig kalt, aber das sind spektakuläre Flüge. Wer einen richtig knackigen Thermikflug machen will, der sollte früh im Jahr kommen."

Was ist ein Thermikflug?
Bei der Thermik entsteht ein temperaturbedingter Druckunterschied, der Luftmassen aufsteigen lässt. Wenn Thermik entsteht, nutzen Paraglider diese aufsteigende Luft, um länger in der Luft bleiben zu können oder sie fliegen Kreise, schrauben sich dadurch immer höher und fliegen über die Berggipfel. Um einen Paragliding-Flug zu erleben, wird keine Thermik benötigt. Dieser Flug ist dann ein Gleitflug.

Mit dem Start vom Tegelberg fliegen David (Pilot) und ich entlang der imposanten Berge

Wir drehen ein kleines Stück nach rechts und auf einmal stockt mir kurz der Atem. Als die Atmung wieder einsetzt, höre ich mich „Oh mein Gott“ sagen. Dieser Ausblick ist wirklich atemberaubend: das Schloss Neuschwanstein auf dem Felsen, im Hintergrund der blaue Alpsee, das Schloss Hohenschwangau und das Bergpanorama. Nun fliegen wir auch noch über das Schloss. Ich kann in den Innenhof schauen und die Personen, die sich dort aufhalten sind stecknadelkopfgroß. Wir drehen eine weitere Runde über das Schloss und bleiben für einige Minuten in der Nähe, damit ich diese phänomenale Aussicht noch etwas genießen kann.

Die Landung

Nach ungefähr 20 Minuten Flugzeit landen wir sicher auf der grünen Wiese des Landeplatzes vor dem Tegelberg und der Holzhütte, bei der dieses unvergessliche Erlebnis begann. Dieser Flug war ein sanftes Dahingleiten. Es fühlte sich nicht an, als würden wir mit 40 km/h unterwegs sein. Vermutlich fühlt sich die Geschwindigkeit in Luft anders als auf der Straße an.

Gut zu wissen

Fazit

Wie so viele Passagiere vor mir, bin auch ich überwältig und dankbar, dass ich hier fliegen durfte. Vielen Dank David für dieses unvergessliche Erlebnis.

Base Flying in Berlin

Aussicht mit Adrenalinkick

Einladend liegt die Metallrampe an der Kante der Dachterrasse auf der 40. Etage. Hier entscheidet sich, wer fliegt und wer abbricht. Ein- bis zweimal pro Jahr bin ich Passagier eines Tandem-Paragliders. Da es in Berlin keine hohen Berge gibt, wollte ich etwas Neues ausprobieren und bin heute mit dem Vorsatz gekommen, Base Flying auszuprobieren. Elf Schritte bis zum Ende der Rampe. Elf Schritte bis zu meinem Erlebnis und die Aufregung steigt.

Nach zwei Minuten hänge ich eingehakt in der Seilwinde und schwebe fast waagerecht 125 Meter über dem Berliner Alexanderplatz. Für einen Moment sind das heftige Herzklopfen, das wilde Bauchkribbeln und die feuchten Hände vergessen. Nun genieße ich die Aussicht über Berlin. Die letzten Sonnenstrahlen des warmen Junitages lassen das Licht auf der Kugel des Berliner Fernsehturms wie Sterne funkeln. Das Stadtschloss, der Berliner Dom und der Tiergarten erstrahlen im Glanz der Abendsonne und wirken wie einer Miniaturwelt entsprungen. Aber nicht nur für die Aussicht hänge ich im Berliner Abendhimmel. Die Seilwinde wird ausgelöst und ich falle.

Base Flying vom Hoteldach des Park Inn mit Aussicht auf Berlin und vis-a-vis dem Berliner Fernsehturm

Doch was ist Base Flying eigentlich?

Die Idee des Base Flying stammt aus der Stunt- und Bühnentechnik. Stürzen Akteure von einer Klippe oder einem Hochhaus, geschieht das meistens mit einer speziellen Abseilwinde. Seit 2009 können Wagemutige in Berlin auf diese Weise vom Dach des Hotels Park Inn fliegen.

„Diese Technik ist einmalig in Europa und nicht zu vergleichen mit Bungee-Springen. erklärt Stefan Joachim, Marketing und Teammanagement von Vertical Sports Events. „Der Base Flyer ist die schnellste Personenabseilwinde in ganz Europa.“ Beim Base Flying wird die Person am Rücken gesichert, fliegt fast waagerecht zum Boden und wird nach dem freien Fall sanft abgebremst.

Vor dem Flug

Am Tag meines Fluges fahre ich zum Alexanderplatz. Dort fliegen schon Base Flyer schreiend, jubelnd oder mucksmäuschenstill an den blau-grau verglasten Hotelzimmern vorbei, dem Alexanderplatz entgegen. Schaulustige versammeln sich in kleinen Gruppen oder sitzen auf dem Rand des Brunnens der Völkerfreundschaft. Die Gesichter sind gen Himmel gerichtet, um keinen Base Flyer zu verpassen. Der Ausdruck spiegelt Faszination, Bewunderung oder Erschrockenheit wider.

Auf der Dachterrasse des Park Inn beginnt das Abenteuer

Auch Sonja Thaden aus Berlin steht zwischen den Schaulustigen. Sie blickt nach oben und wartet gespannt auf den nächsten Base Flyer. „Ich würde das nicht machen! Als Kind stand ich auf dem 10-Meter-Brett und bin auch gesprungen. Aber davon bekomme ich schon vom Zusehen einen Adrenalinkick. Die sind sehr mutig.“

Wie mutig man sein muss, werde ich gleich noch herausfinden. Mein Base Flying Erlebnis erwartet mich. Mit dem Aufzug und fünf Etagen zu Fuß geht es auf das Dach. Marina vom Base Flying Team begrüßt meine Begleitperson und mich am Gittertor, das die Hotelterrasse vom Flugbereich trennt. Ich überreiche ihr mein Flugticket. Zwei Minuten später stehe ich auf einer anthrazitfarbenen Gummimatte und Marinas Kollegin legt mir das Gurtzeug an. So langsam bekomme ich Bauchkribbeln und feuchte Hände.

Die fünf Mädels des Base Flying Teams verbreiten eine gute und entspannte Stimmung auf der Dachterrasse. Sie tragen kurze schwarze Hosen und ein schwarzes T-Shirt. Es wird gescherzt und aus der Musikbox klingt rhythmische Latin-Musik. Die Teilnehmenden werden ohne Hektik auf ihren Flug vorbereitet, auch wenn die nächsten Kunden schon warten.

Die Flugvorbereitung

Vor jedem Flug wird eine Hängeprobe in einem abgetrennten Bereich gemacht. Am Vordach hängt ein Seil herunter. Daran ist ein Karabiner befestigt, der in das Gurtzeug eingehakt wird. Schwebend hänge ich über einem Gitterrostboden und winkele die Arme an, wie ich es während des Fluges machen soll. Das Gurtzeug fühlt sich robust und wie eine zweite Haut an. Mein Sicherheitsgefühl steigt.

Vorbereitung für das Base Flying mit einer Hängeprobe

Bei einem Kontroll-Check zieht Marina noch einmal die Gurte straff, prüft, ob mein Gurtzeug sitzt und ich fest verschnürt bin. Ich bin für meinen Flug bereit. Die Teilnehmenden, die leichte Nervosität zeigen, werden mit einem lockeren Spruch „Runter geht es immer.“ auf die Rampe geschickt. Von Fabiola, der Teamleiterin, bekomme ich heute ein „Hast du es dir gut überlegt?“. Auf geht’s zur Rampe. Ob ich wirklich fliege?

 Reaktionen auf adrenalinreiche Aktivitäten

„Die meisten gehen noch zur Rampe“ ist die Erfahrung des Base Flying Teams von der Dachterrasse. Eine irische Junggesellenabschiedsgruppe, mit großer Klappe, ist auch noch zur Rampe gegangen. Als es ernst wurde, hat jeder Einzelne abgebrochen.
Stefan Joachim berichtet: „Ungefähr ein Prozent aller Teilnehmenden bricht ab, und meistens sind es die Männer.“

Was passiert eigentlich, wenn man kurz davor steht, von einer Rampe zu fliegen? Während eines solchen Erlebnisses „ist der Sympathikus hoch aktiv, der sogenannte Fight and Flight-Nerv. Das ist die Kampf- und Flucht-Reaktion,“ erklärt Dr. Surjo R. Soekadar, Neurowissenschaftler der Charité. „Manche sagen: Alles cool, und kurz vor der Situation sagen sie: Ich will es doch nicht machen.“ Was sorgt dafür, dass man trotzdem fliegt? „Das Bauchgefühl sagt: ‚Mach das nicht!‘ und das Frontalhirn kann diesen Impuls überwinden: ‚Ich will das jetzt wirklich! Jetzt sind wir extra hergekommen.‘ Je klarer der Entschluss vorher gefasst wurde und kein Dialog zwischen dem Kopf und dem Bauch zugelassen wird, desto einfacher wird es.“ führt Dr. Soekadar weiter aus.

Doch was ist Adrenalin? Adrenalin ist ein körpereigenes Hormon, das in Stress- und Gefahrensituationen ausgeschüttet wird. Ein trockener Mund, ein Kloß im Hals, das Kribbeln im Bauch können die Folge sein. Dr. Soekadar ergänzt: „Die Außenwahrnehmung wird verstärkt und das Zeitempfinden verlängert, die Situation wird intensiver wahrgenommen und das Herz kann ganz stark hämmern. Der Körper spielt verrückt.“ Für manche Menschen sind diese körperlichen Reaktionen unangenehm und nicht auszuhalten.

Angstpatienten kennen diese Reaktionen des Körpers. Drei- bis viermal im Jahr veranstaltet das Base Flying Team ein Gruppenevent mit Lebens-Coaches zur Angstprävention. Fabiola führt die Angstpatienten einzeln auf die Rampe, lässt sie die Augen schließen, tief durchatmen und redet beruhigend und sanft auf die Person ein. Auch für sie ist es ein großer Erfolg, wenn die Personen fliegen, und ruft ihnen hinterher: „Wir sind stolz auf Dich!“

Die Rampe

Da liegt sie, die Metallrampe. Einladend und adrenalinfördernd zugleich. Acht Meter lang und einen Meter breit. Rechts und links flankieren die Geländer die Rampe und wirken wie eine Schutzbarriere. Ich stehe am Anfang im roten Bereich, ein Sicherungsseil wird am Rücken meines Gurtzeugs befestigt und zwei Mädels vom Team begleiten mich. Elf Schritte bis zum Ende der Rampe.

Über die Metallrampe zur Abflugkante und immer in Begleitung von zwei Mitarbeitenden

Schritt für Schritt nähern wir uns der Abflugkante. Einen Schritt vorher stoppen wir und ich drehe mich nach links. Angespannt halte ich mich am Geländer fest. Die warme Sommerluft zerzaust mein Haar, Strähnen legen sich über mein Gesicht. In der Zwischenzeit werde ich in die Seilwinde, den „Base Flyer“, eingehakt. Mein Sicherungsseil, das mich hierher begleitet hat, wird ausgeklinkt.

Fabiola kommt auf die Rampe und macht einen letzten Sicherheitscheck, dann gibt sie das Zeichen zum Start. Der letzte Schritt und ich stehe am Ende der Metallrampe. Hier ist Schluss, hier geht es nur noch nach unten. 125 Meter. Für einen kurzen Moment blicke ich zum Alexanderplatz herunter: die Menschen sehen aus wie Stecknadelköpfe. Ich rufe mir die Worte von Fabiola ins Gedächtnis: „Nicht nach unten schauen! Die Aussicht genießen! Wenn es ganz schlimm wird, die Augen schließen!“

Der Start

Die Seilwinde zieht mich langsam nach oben. Ich lasse das Geländer los, das sich die letzten Sekunden wie ein Anker anfühlte und werde sanft in Richtung Berliner Fernsehturm geschoben. Ungefähr 20 Sekunden hänge ich im Berliner Abendhimmel, werde langsam von links nach rechts gedreht und winke meiner Begleitperson zu. Meine Aufregung ist wie weggeblasen und ein breites Lächeln zeigt sich wieder. Ein Gefühl der Entspannung und Vorfreude durchströmt nun meinen Körper.

Für mich ist es still. Keine Musik, kein Straßenlärm, kein Stimmengewirr dringen zu mir durch. Nur die Umgebung um mich herum nehme ich bewusst wahr. Die Strahlen der untergehenden Sonne legen sich wie ein goldener Schleier über die Stadt und der Himmel färbt sich am Horizont in pastellfarbene Blau,- Rosé- und Gelbtöne. Auf einmal wird die Sicherung des Base Flyer ausgelöst und ich falle.

Voraussetzungen zum Fliegen

  1. Wetter: Bei starkem Wind und Gewitter muss das Fliegen unterbrochen werden.
  2. Gewicht 50 - 108 kg
  3. Ab 16 Jahre (bis 18 Jahre mit Genehmigung eines Erziehungsberechtigten)
  4. Normale physische Gesundheit, die Teilnahme ist unter anderem ausgeschlossen für Personen mit: Bluthochdruck, Herzbeschwerden, Alkohol- oder Drogeneinwirkung, schwangere Personen, mehr Informationen Base Flying Website

Die Flieger, die in Erinnerung bleiben

Base Flying ist ein Erlebnis für alle: ein Ehemann mit Höhenangst, der von seiner Frau „überrascht“ wurde. Das älteste Pärchen, das mit 78 und 82 Jahren geflogen ist oder Ulli und Andi aus Berlin, die seit 2009 jedes Jahr fliegen. So sind auch Teilnehmende in einem Einhorn-, Dino- oder Borat-Kostüm erschienen und geflogen. Die Frage, ob bei Borat alles dringeblieben ist, wurde mit einem vielsagenden Grinsen beantwortet.

„Alle, die ankommen, sind gut drauf.“, sagt Stefan. Er empfängt die Base Flyer auf der Landeplattform. Das sind die Adrenalin-Junkies, die voller Euphorie und super gelaunt unten ankommen. Aber auch die Teilnehmenden, die fast einen Rückzieher gemacht hätten und oft verweint, aber voller Stolz landen.

Das Finale

Nun rase ich im freien Fall der Landeplattform entgegen. Kurz überlege ich, ob ich schreien soll, aber die vier Sekunden freier Fall sind zu schnell vorbei und drei Sekunden sanftes Abbremsen folgen. Die Arme seitlich und die Beine lang gestreckt, sause ich nach unten. Mein Gesicht fühlt sich an, als würden meine Wangen zu den Ohren geschoben werden. Die Schmetterlinge müssen sich verzehnfacht haben, so wild geht es in meinem Bauch zu.

Das waren sieben Sekunden Geschwindigkeitsrausch und fast 100 Meter freier Fall. Vor den Hotelfenstern, in denen sich der Fernsehturm spiegelt, werde ich Etage für Etage langsam herabgelassen. Stefan steht auf der Landeplattform bereit. Ich lege meine Hände auf seine kräftigen Oberarme und er zieht mich am Gurt zu sich herunter. Auf dem Vordach des Hotels habe ich wieder festen Boden unter den Füßen, blicke noch einmal nach oben und realisiere, was ich gerade getan habe. Das Base Flying war kürzer als ein Tandem-Paragliding-Flug, aber der Adrenalinrausch war intensiver.

Was haben ein Borat, ein Dino, ein Einhorn und ich gemeinsam? Wir sind alle vom Park Inn geflogen.

Gut zu wissen

Fazit

Das war ein aufregendes Erlebnis. Wenn das Wetter mitspielt, kann ich mir sehr gut vorstellen, dieses Erlebnis jährlich zu wiederholen.